Mit Urteil vom 4. Juli 2019 (C-377/17) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die bisherigen Regelungen zu den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) gegen europäisches Recht verstoßen. Deshalb bestand für die Bundesrepublik Deutschland die Pflicht, die HOAI den Vorgaben des Urteils anzupassen. Diese Umsetzung erfolgte zum 1. Januar 2021.
Kein verbindliches Preisrecht mehr
Das verbindliche Preisrecht aus Mindest- und Höchstsatz für Grundleistungen gemäß HOAI entfällt. Architekten und Ingenieure können ihr Honorar frei verhandeln. Bei öffentlichen Ausschreibungen können Honorare unterhalb der bisherigen Mindestsätze angeboten werden. Es wird damit ein echter Preiswettbewerb bei Architektenleistungen ermöglicht.
Anpassung der HOAI, keine Abschaffung
Die HOAI bleibt aber im Wesentlichen bestehen. Die Regelungen der HOAI können weiterhin zur Honorarberechnung mit einer Honorarvereinbarung zu Grunde gelegt werden (§ 1 Satz 2 HOAI). Die Honorartafeln weisen nun sog. „Orientierungswerte“ aus, die an Art und Umfang der Aufgabe der Leistungen ausgerichtet sind. Die bisherigen Mindestsätze heißen nun „Basishonorar“ und die Höchstsätze „oberer Honorarsatz“ (§ 2a HOAI), wobei eine Unter- bzw. Überschreitung zulässig ist.
Die Parteien können, müssen jedoch nicht, die Geltung der Honorarregelungen der HOAI vereinbaren. Zulässig ist es auch, nur einzelne Bestandteile der HOAI zu vereinbaren bzw. einzelne Regelungen der HOAI abzuändern. Es herrscht also Vertragsfreiheit ohne Preisbindung.
Textformerfordernis der Honorarvereinbarung
Nach neuem Recht ist für eine wirksame Honorarvereinbarung Textform (bisher Schriftform) erforderlich sowie ausreichend (§ 7 Abs. 1 Satz 1 HOAI). Das bedeutet, dass keine eigenhändige Unterschrift der Vertragsparteien notwendig ist, sondern zum Beispiel eine E-Mail genügt. Zudem ist es nicht mehr erforderlich, dass die Honorarvereinbarung bereits bei Auftragserteilung erfolgt. Sie kann also auch später abgeschlossen werden.
In Fällen, in denen keine oder keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen wurde, gilt für Grundleistungen der jeweilige Basishonorarsatz (= bisher Mindestsatz) als vereinbart (§ 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI).
Zusätzliche Informationspflichten gegenüber Verbrauchern
Handelt es sich bei dem Auftraggeber um einen Verbraucher muss der Architekt/Ingenieur ihn vor Abschluss der Honorarvereinbarung in Textform darauf hinweisen, dass ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln der HOAI enthaltenen Werte vereinbart werden kann. Erfolgt dieser Hinweis nicht, gilt für die zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Grundleistungen anstelle eines höheren Honorars ein Honorar in Höhe des jeweiligen Basishonorarsatzes als vereinbart (§ 7 Abs. 2 HOAI). Der unterlassene Hinweis wirkt sich also nur aus, wenn ein höheres Honorar als das Basishonorar vereinbart wurde.
Es wird empfohlen, einen entsprechenden allgemeinen Hinweis in die Verträge / Angebote mit Verbrauchern aufzunehmen.
Geltung der Änderung
Die Änderung findet auf alle ab dem 1. Januar 2021 abgeschlossenen Verträge Anwendung (§ 57 HOAI).
Bis zum 31. Dezember 2020 geschlossene Verträge
Die Änderungen betreffen nicht die bis zum 31. Dezember 2020 geschlossenen Verträge. Der Gesetzgeber hat bewusst keine Regelung für die Übergangsphase bis zur Geltung der Änderung getroffen. Die Frage, ob die verbindlichen Mindestsätze bei den bisherigen Verträgen – zumindest im rein privatwirtschaftlichen Bereich – trotz Verstoßes gegen europäisches Recht weiter gelten, wurde von den Oberlandesgerichten kontrovers entschieden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat insofern den EuGH angerufen (BGH, Vorlagebeschluss vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19). Mit der Entscheidung des EuGH ist in diesem Jahr zu rechnen.
Autor: Ralph Weiss – Rechtsanwalt / Fachanwalt für Bau- u. Architektenrecht