Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 10.11.2021, Az. 9 Ca 2895/21) zur Befristung eines Arbeitsvertrags im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium
In seinem Urteil vom 10.11.2021 zum Az. 9 Ca 2895/21 hatte das Arbeitsgericht Köln über die Befristungskontrollklage einer Arbeitnehmerin zu entscheiden. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Befristungsabrede urteilte das Arbeitsgericht Köln unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zur Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium), dass es sich um die Befristung des ersten Arbeitsvertrags nach dem Ende der Ausbildung oder des Studiums handeln muss. Dagegen ist eine wiederholte Befristung nach dieser Norm unzulässig, weil es sich bei jedem weiteren – befristeten oder unbefristeten – Arbeitsvertrag bereits um eine Anschlussbeschäftigung handelt.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufung wird beim Landesarbeitsgericht Köln unter dem Az. 3 Sa 764/21 geführt.
Die streitentscheidende Norm
14 TzBfG regelt die Zulässigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG insbesondere vor, wenn
- der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
- die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
- der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
- die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
- die Befristung zur Erprobung erfolgt,
- in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
- der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
- die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
Die o.g. Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln betrifft die Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG.
Der Fall
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Befristung und um vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin.
Am 08.01.2018 schlossen die Parteien einen Schulungsvertrag, beginnend mit dem 25.02.2018 bis voraussichtlich zum 29.06.2018. Gegenstand des Schulungsvertrages war die Vermittlung der theoretischen und praktischen Kenntnisse für die Tätigkeit einer Flugbegleiterin. Im Anschluss an den erfolgreich bestandenen Lehrgang schlossen die Parteien am 29.06.2018 einen weiteren Ausbildungsvertrag. Dieser regelte, dass die beklagte Arbeitgeberin die Klägerin im Anschluss an die Grundausbildung zur Ausbildung als weltweit einsetzbare Flugbegleiterin befristet einstellt, um den Übergang in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. Danach sollte das Ausbildungsverhältnis am 30. Juni 2018 beginnen und am 29. Juni 2021 enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Des Weiteren wurde vertraglich vereinbart, dass die Klägerin bei der Beklagten anhand eines Ausbildungs- und Schulungsplanes in den Arbeitsinhalten, Kultur und Sprache ausgebildet wird. Die jeweiligen Theoriemodule sollten danach im Einsatzplan veröffentlicht werden und inklusive des absolvierten Grundlehrgangs mindestens 25 Wochen umfassen.
Am 15.01.2021 erklärte die Beklagte der Klägerin, das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis nicht über den Ablauf der Befristung hinaus fortsetzen zu wollen.
Die Klägerin hat daraufhin am 19.05.2021 Befristungskontrollklage vor dem Arbeitsgericht Köln erhoben und geltend gemacht, die zwischen ihr und der Beklagten geschlossene Befristungsabrede sei rechtsunwirksam, weil der von der Beklagten angeführte Befristungsgrund aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG nicht vorläge.
Denn der sachliche Grund für eine solche Befristung setze voraus, dass die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolge, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, der Lehrgang vom 25.02.2018 bis 29.06.2018 aber schon keine solche Ausbildung, sondern eine betrieblich orientierte Fortbildung gewesen sei, um der Klägerin die spezifischen Arbeitsabläufe bei der Beklagten zu vermitteln.
Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und den Standpunkt vertreten, das Arbeitsverhältnis sei durch die Befristung im Vertrag vom 29.06.2018 zum 29.06.2021 aufgelöst worden.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln
Das Arbeitsgericht Köln hat festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Ausbildungsvertrag vom 29.06.2018 vorgesehenen Befristungsabrede zum 29.06.2021 aufgelöst worden ist. Es hat die Beklagte dazu verurteilt, die Klägerin als Flugbegleiterin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiter zu beschäftigen und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Danach ist der Befristungskontrollantrag der klagenden Arbeitnehmerin begründet, weil die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung unwirksam ist und die Klägerin rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist nach § 17 Satz 1 TzBfG Befristungskontrollklage erhoben hat.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Arbeitsgericht Köln aus, die Beklagte habe nicht dargelegt, dass ein sachlicher Grund für die Befristung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliege. Hierfür muss der Arbeitgeber darlegen, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Verhältnisse bestanden haben, die einen sachlichen Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TzBfG darstellen. Der von der Beklagten angeführte Sachgrund aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG liege nicht vor. Dieser Sachgrund liegt nur dann vor, wenn die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.
Die Prognose der Beklagten, der Vertrag vom 30.06.2018 erfolge im Anschluss an eine Ausbildung, um den Übergang der Klägerin in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, war nach Auffassung des Arbeitsgerichts Köln falsch. Denn bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag vom 30.06.2018 handelt es sich nicht um eine „Erstanstellung“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG, da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Tatbestandsmerkmal „Anschluss“ folgt, dass es sich um die Befristung des ersten Arbeitsvertrags handeln muss, der nach dem Ende der Ausbildung oder des Studiums abgeschlossen wird. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei gerade, Berufsanfängern den Berufsstart zu erleichtern (BT-Dr 14/4374, S. 19), indem es ihnen ermöglicht wird, im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses Berufserfahrung zu sammeln und dadurch ihre Einstellungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Dieser Zweck sei erreicht, sobald das erste Arbeitsverhältnis nach dem Studium oder der Ausbildung eingegangen worden ist. Hierdurch sei der Start ins Berufsleben erfolgt und die Bemühung um eine Anschlussbeschäftigung unter Berufung auf die in dem Arbeitsverhältnis erworbene Berufserfahrung ermöglicht (vgl. BAG Urt. v. 24.08.2011 − 7 AZR 368/10). Daher sei eine wiederholte Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG unzulässig.
Die Prognose der beklagten Arbeitgeberin sei deshalb falsch, weil das Arbeitsverhältnis ausweislich des Arbeitsvertrags vorrangig nicht dem Erwerb von Berufserfahrung, sondern der Vermittlung von Arbeitsinhalten, Kultur und Sprache anhand eines Ausbildungs- und Schulungsplanes dienen sollte, wodurch ihr gerade nicht der Übergang in eine Anschlussbeschäftigung erleichtert worden sei.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Befristungsabrede ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Für die Wirksamkeit der Befristung ist es deshalb unerheblich, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse während der Vertragsdurchführung nachträglich ändern.
Fazit
Über die Wirksamkeit von Befristungen kommt es in der Praxis häufig zu Streit. Wichtig ist zum einen darauf zu achten, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 4 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Zum anderen ist bei einer Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG sicherzustellen, dass das befristete Arbeitsverhältnis vorrangig dem Erwerb von Berufserfahrung dient, also den vom Gesetzgeber avisierten „Start in das Berufsleben“ darstellen muss. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn es sich um ein weiteres Ausbildungsverhältnis handelt. Denn in diesem Fall bleibt es dem Arbeitnehmer verwehrt, sich im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis auf die dort gewonnene Berufserfahrung zu berufen, so dass er aus Sicht des künftigen Arbeitgebers den Status als „Absolvent“ behält und nicht den Status eines berufserfahrenen Bewerbers erlangt.
Bei Fragen zur Befristung von Arbeitsverträgen finden Sie hier Ihre Ansprechpartnerin:
Autorin: Claudia Frietschen (Rechsanwältin / Counsel)