Am 25.05.2022 ist das „Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases“ (LNG-Beschleunigungsgesetz – kurz: LNGG) in Kraft getreten. Es soll dabei helfen, eine von Russland unabhängigere Gasversorgung zu erreichen. Es geht dabei insbesondere um die Errichtung und den Betrieb von schwimmenden und landgebundenen Anlagen für verflüssigtes Erdgas (sog. LNG-Terminals).
Das Gesetz dient der Sicherung der nationalen Energieversorgung durch die zügige Einbindung verflüssigten Erdgases („liquefied natural gas“) in das bestehende Fernleitungsnetz (§ 1 LNGG). In § 2 LNGG ist geregelt, auf welche Anlagen das Gesetz Anwendung findet. Es geht dabei insbesondere um Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases. In einer Anlage zum Gesetz werden die betroffenen Vorhabenstandorte aufgelistet. Es handelt sich um Brunsbüttel, Wilhelmshaven, Stade/Bützfleth, Hamburg/Moorburg, Rostock/Hafen und Lubmin.
Besonderes Interesse und besondere Dringlichkeit
In § 3 LNGG wird ausgeführt, dass die in § 2 LNGG genannten Vorhaben für die sichere Gasversorgung Deutschlands besonders dringlich sind. „Für diese Vorhaben wird die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der Bedarf zur Gewährleistung der Versorgung der Allgemeinheit mit Gas festgestellt. Die schnellstmögliche Durchführung dieser Vorhaben dient dem zentralen Interesse an einer sicheren und diversifizierten Gasversorgung in Deutschland und ist aus Gründen eines überragenden öffentlichen Interesses und im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich.“
Zahlreiche Vereinfachungen
Im Hinblick auf das Zulassungsverfahren werden zahlreiche Vereinfachungen geregelt, insbesondere betreffend Umweltverträglichkeitsprüfung (§ 4 LNGG), Bundes-Immissionsschutzgesetz (§ 5 LNGG), Bundesnaturschutzgesetz (§ 6 LNGG), Wasserhaushaltsgesetz (§ 7 LNGG) und Energiewirtschaftsgesetz (§ 8 LNGG).
Gleichzeitig langfristige Förderung des klimaneutralen Wasserstoffs
Für die LNG-Terminals kann eine Genehmigung zum Weiterbetrieb über den 31.12.2043 hinaus nur für einen Betrieb mit klimaneutralem Wasserstoff oder Derivaten hiervon erteilt werden (§ 5 Abs. 2 LNGG). Damit soll erreicht werden, dass die Anlagen so errichtet werden, dass sie für einen Weiterbetrieb mit Wasserstoff geeignet sind.
Beschleunigte Vergabe- und Nachprüfungsverfahren (§ 9 LNGG)
Zentraler Regelungsgehalt des Gesetzes ist zudem die Beschleunigung und Erleichterung des Vergabeverfahrens sowie des Nachprüfungsverfahrens
§ 97 Abs. 4 GWG findet auf die Verfahren nach dem LNGG keine Anwendung.
Das bedeutet, mittelständische Interessen müssen bei der Vergabe der Aufträge nicht berücksichtigt werden. Leistungen müssen nicht in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) vergeben werden.
Die Informations- und Wartepflichten entfallen in Fällen, in denen das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gerechtfertigt ist, und in Fällen, in denen der Bieter, dem der Zuschlag erteilt wird, der einzige Bieter ist und es keine weiteren Bewerber gibt.
Bei vergaberechtlichen Verstößen, die nach § 135 GWB eigentlich zur Unwirksamkeit des Vertrages führen, kann der Vertrag im Nachprüfungsverfahren im Einzelfall dennoch als wirksam erachtet werden, wenn nach Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte zwingende Gründe des Allgemeininteresses es rechtfertigen, die Wirkung des Vertrages zu erhalten; davon soll in der Regel ausgegangen werden. Es ist daher möglich, dass ein Vertrag auch bei einer sog. De-facto-Vergabe als wirksam erachtet wird. Wird dagegen die Unwirksamkeit des Vertrages festgestellt, beschränkt sich diese Wirkung auf diejenigen Verpflichtungen, die noch zu erfüllen sind.
Bei Verstößen, die an sich zur Unwirksamkeit des Vertrages führen würden, kann die Vergabekammer oder das Beschwerdegericht alternative Sanktionen erlassen, nämlich die Verhängung einer Geldsanktion gegen den Auftraggeber (max. 15 % des Auftragswertes) oder die Verkürzung der Laufzeit des Vertrages.
§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass gesetzlich vermutet wird, dass die dort genannten Voraussetzungen zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vorliegen. Es ist dabei zulässig, auch nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, sofern dieses Unternehmen als einziges in der Lage ist, den Auftrag innerhalb der durch die äußerste Dringlichkeit bedingten technischen und zeitlichen Zwänge zu erfüllen.
Für das Nachprüfungsverfahren, sowohl vor der Vergabekammer als auch der Beschwerdekammer, gelten zahlreiche Abweichungen zu den allgemeinen Verfahrensregeln des GWB, insbesondere auch kürzere Fristen.
Die vorgenannten Regelungen gelten für den sog. Oberschwellenbereich. Für den Unterschwellenbereich wurden in § 9 Abs. 4 und 5 LNGG ebenfalls Regelungen getroffen. Demnach müssen bei einer Vergabe im Unterschwellenbereich keine Öffentliche Ausschreibung, keine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb und kein sonstiger Teilnahmewettbewerb vorausgehen und auch nicht nach einheitlichen Beschaffungsrichtlinien verfahren werden. Bei Verfahren vor Zivil- und Verwaltungsgerichten über die Vergabe der Aufträge sind alle bestehenden Beschleunigungsmöglichkeiten des jeweiligen Prozessrechts zu nutzen.
Zeitliche Befristung
Die Verfahrensregelungen der §§ 3 bis 10 LNGG gelten bis zum 30.06.2025.
Autor: Ralph Weiss (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht)