Änderungen zu Jahreswechsel 2022/2023 im Arbeitsrecht

Pünktlich zum Jahreswechsel sind zahlreiche Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Wir geben Ihnen nachfolgend einen kurzen Überblick über die wichtigsten Neuerungen im Arbeitsrecht, die für Ihre tägliche Praxis wichtig sind.

1. Begründungspflicht bei Ablehnung von Anträgen auf Teilzeit in der Elternzeit sowie Pflege- und Familienpflegezeit in kleineren Betrieben

Arbeitnehmer aus Betrieben mit weniger als 16 Arbeitnehmern haben keinen Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nach § 15 Abs. 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit ist für sie daher nur über eine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitgeber möglich. Bislang bestand bei einer Ablehnung einer Teilzeittätigkeit während der Elternzeit gemäß § 15 Abs. 5 BEEG für den Arbeitgeber keine Begründungspflicht, wenn der Schwellenwert von mindestens 16 Arbeitnehmern nicht erreicht wurde. Arbeitgeber konnten den Antrag auf Elternzeit in diesen Kleinbetrieben somit ohne Angabe von Gründen ablehnen.

Im Rahmen der Umsetzung der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie wurde diese Regelung angepasst. Seit dem 24.12.2022 können nunmehr auch Arbeitgeber aus Betrieben mit weniger als 16 Arbeitnehmern einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nur innerhalb einer Frist von 4 Wochen mit einer Begründung ablehnen. Eine Sanktion bei Verpassen dieser Frist ist im Gesetz aber nicht vorgesehen.

Tipp: Setzen Sie im Falle von Teilzeitanträgen während der Elternzeit eine Wiedervorlage zur Fristeinhaltung und begründen Sie Ablehnungen von Anträgen entsprechend.

Im Rahmen der Umsetzung der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie wurde auch für Betriebe mit bis zu 15 Beschäftigten ein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz und in Betrieben mit bis zu 25 Beschäftigten ein solcher nach dem Familienpflegezeitgesetz geregelt. Einen Anspruch auf Familien- oder Pflegezeit selbst gibt es aber weiterhin nicht; die Mitarbeiter können lediglich einen Antrag stellen, über den der Arbeitgeber entsprechend entscheiden muss. Auch hierbei ist eine Ablehnung nur noch innerhalb von 4 Wochen mit einer Begründung möglich.

2. Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Seit dem 01.01.2023 ist die Pflicht zur Einreichung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfallen. Der Arzt übermittelt die Krankheitsdaten nunmehr auf elektronischem Weg direkt an die jeweilige Krankenkasse. Der Arbeitgeber kann dann die aus diesen Daten generierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse abrufen. Welche Pflichten die Arbeitnehmer im Krankheitsfall weiterhin haben und welche Folgen sich hieraus für Arbeitgeber ergeben, lesen Sie in unserem weiteren Newsletterartikel „Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Eine Erleichterung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?“. (siehe Artikel von Rechtsanwältin Vivien Demuth weiter unten)

3. Möglichkeit der virtuellen Betriebsversammlung

Die Sonderregelung aus § 129 Betriebsverfassungsgesetz zur Ermöglichung von virtuellen Betriebsversammlungen sowie Jugend- und Auszubildendenversammlungen wurde bereits am 17.09.2022 bis zum 07.04.2023 verlängert. 

4. Verlängerung des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld

Die befristeten Sonderregelungen für den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld wurden nochmals bis zum 30.06.2023 verlängert. Leiharbeitnehmer können daher weiterhin Kurzarbeitergeld beziehen. Zusätzlich wird auch lediglich verlangt, dass mindestens 10 Prozent der Belegschaft eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung von einem Entgeltausfall betroffen sein müssen, statt einer Anzahl von mindestens einem Drittel. Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden (Minusstunden) vor der Gewährung von Kurzarbeitergeld wird vollständig verzichtet. 

5. Die Anhebung der Midijob-Grenze

Mit der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns wurde auch die Grenze für Minijobs von 450,00 € auf 520,00 € erhöht. Zugleich wurde bereits im Oktober 2022 die Grenze für sog. Midijobs auf 1.600,00 € angehoben. Zum 01.01.2023 wurde diese Grenze als Teil des Entlastungspakets nunmehr nochmals auf 2.000,00 € angehoben.

Als Midijobs werden Beschäftigungsverhältnisse bezeichnet, bei denen der Arbeitnehmer zwischen 520,01 € bis zu 2.000,00 € verdient. Im Rahmen eines Midijobs besteht zwar eine Sozialversicherungspflicht, sodass die Arbeitnehmer Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung zahlen müssen. Die zu entrichtenden Beiträge sind jedoch stark reduziert. 

6. Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Arbeitsbescheinigungen

Im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen haben Arbeitgeber bei Aufforderung durch den Arbeitnehmer oder die Agentur für Arbeit eine Arbeitsbescheinigung auszustellen. Der Arbeitnehmer konnte bislang entscheiden, ob er mit einer elektronischen Übermittlung an die Agentur für Arbeit einverstanden ist. Dieses Wahlrecht ist nunmehr weggefallen. Seit dem 01.01.2023 ist nur noch eine rein digitale Übermittlung von Arbeitsbescheinigungen möglich und die Nutzung des digitalen Verfahrens für Arbeitgeber verpflichtend. Die ausgeschiedenen Mitarbeiter erhalten nach der elektronischen Übermittlung an die Agentur für Arbeit einen Nachweis der übermittelten Daten.

Da gesetzlich keine Übergangsfrist vorgesehen ist, sollten Arbeitgeber die Voraussetzungen zur elektronischen Übermittlung prüfen, um weiterhin Arbeitsbescheinigungen entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung übermitteln zu können. Auf der Homepage der Agentur für Arbeit können Arbeitgeber testen, ob ihre Lohnabrechnungssoftware die zertifizierte, elektronische Übermittlung der Bescheinigungen unterstützt. Alternativ können sie die Ausfüllhilfe sv.net nutzen. 

7. Fünfte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung haben Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf ein als Lohnuntergrenze festgesetztes Mindeststundenentgelt. Die dazu geltende Vierte Verordnung über eine Lohnuntergrenze ist am 31.12.2022 außer Kraft getreten und wurde zum 01.01.2023 durch die Fünfte Verordnung abgelöst. Sie ist befristet bis zum 31.03.2024.

Die Lohnuntergrenze für Leiharbeitnehmer liegt damit bei einem Mindeststundenentgelt:

  • vom 01.01.2023 bis zum 31.03.2023 bei 12,43 € brutto,
  • vom 01.04.2023 bis zum 31.12.2023 bei 13,00 € brutto,
  • vom 01.01.2024 bis zum 31.03.2024 bei 13,50 € brutto.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unsere Arbeitsrechtsexperten Frau Jane Hohmann, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Frau Vivien Demuth, Rechtsanwältin.