Beschwerdeverfahren nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Die Pflicht, eine Beschwerdestelle nach den gesetzlichen Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ab spätesten dem 01.01.2024 einzurichten, rückt für Unternehmen, die in der Regel mindestens 1000 Arbeitnehmer beschäftigen, immer näher. Für Unternehmen, die in der Regel mindestens 3000 Arbeitnehmer beschäftigen, muss eine Beschwerdestelle bereits eingerichtet worden sein. Zu den Meldesystemen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) und dem LkSG wurde bereits im Februar 2023 ein Newsletterartikel unsererseits veröffentlicht.

Pflicht zur Einrichtung einer Beschwerdestelle

Gemäß § 8 Abs. 1 LkSG müssen Unternehmen, die in den Geltungsbereich des LkSG fallen, ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten. Das Beschwerdeverfahren dient als Kernelement der Sorgfaltspflichten dazu, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken oder Verletzungen zu melden, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder entlang der Lieferkette (z.B. bei dem unmittelbaren Zulieferer) entstanden sind.

Die Unternehmen haben hierbei zum einen die Möglichkeit, eine oder mehrere interne Beschwerdestellen (eine Meldestelle für interne Mitarbeiter und eine Meldestelle für Dritte) einzurichten. Des Weiteren können Unternehmen sich aber auch an einem unternehmensübergreifend externen Beschwerdeverfahren beteiligen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 LkSG. Darunter versteht man insbesondere Beschwerdemechanismen, die von Branchenverbänden eingerichtet werden.

Der Zugang zu einer Beschwerdestelle muss sowohl den Arbeitnehmern der Unternehmen entlang der Lieferkette (auch unmittelbaren Zulieferern) als auch sonstigen Personen (z.B. Anwohnern rund um die lokalen Standorte) offenstehen. Hierbei gilt es zu beachten, dass eine eigene Verletzung oder Betroffenheit von der Risikolage auf Seiten des Hinweisgebers nicht erforderlich ist. Zudem können Hinweise auch von Minderjährigen abgegeben werden. Die Abgabe von anonymen Hinweisen ist ebenfalls gesetzlich zulässig.

Empfehlenswert kann es in diesem Zusammenhang auch sein, dass unmittelbare Zulieferer selbst eine Meldestelle einrichten, um menschrechtliche und umweltbezogene Missstände oder Risiken im eigenen Unternehmen frühestmöglich zu beseitigen oder gar gänzlich zu verhindern. Womöglich sind viele der Zulieferer ohnehin aufgrund des HinSchG bereits jetzt oder spätestens ab dem 17.12.2023 gesetzlich dazu verpflichtet, eine solche interne Meldestelle einzurichten. Diese kann unter Umständen auch als Beschwerdestelle im Sinne des LkSG genutzt werden. Durch die Einrichtung einer solchen Beschwerdestelle, bei der eben auch menschrechtliche und umweltbezogene Risiken oder Verletzungen gemeldet werden können, könnten sich unmittelbare Zulieferer erheblich von anderen Konkurrenten abheben und zielgerichtet dazu beitragen, dass Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen des LkSG erfüllen. Denn ohnehin werden vor allem die unmittelbaren Zulieferer von den vom LkSG betroffenen Unternehmen dazu aufgefordert werden, bei der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des LkSG mitzuwirken.

Wesentliche Pflichten der Beschwerdestelle

Sobald eine Meldung bei der Beschwerdestelle eingegangen ist, muss der Eingang der Meldung bestätigt werden. Eine konkrete Frist, bis wann eine solche Eingangsbestätigung erfolgen muss, ist gesetzlich nicht festgelegt. Dennoch sollte die Eingangsbestätigung im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift zügig erfolgen. Der Eingang des Hinweises ist intern zu dokumentieren.

Darüber hinaus sollte laut der Handreichung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) der Hinweisgeber auch über die nachfolgenden Schritte (u.a. den aktuellen Stand des Verfahrens) sowie den zeitlichen Verlauf des Verfahrens und seine Rechte bzgl. des Schutzes vor Benachteiligungen bzw. Bestrafung informiert werden.

Erörterungspflicht und einvernehmliche Streitbeilegung

Weiterhin muss gemeinsam mit dem Hinweisgeber der Sachverhalt näher erörtert werden. Es muss daher ein konkreter Austausch mit dem Hinweisgeber stattfinden, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären und Missstände/Risiken zu beheben. Die Erörterung sollte vorzugsweise mündlich (in Präsenz, telefonisch oder per Videokonferenz) stattfinden, um einen aufwändigen Schriftverkehr zu vermeiden. Eine schriftliche Erörterung ist jedoch gesetzlich ebenfalls zugelassen. Die wesentlichen Gesprächsinhalte sollten protokolliert werden. Empfehlenswert ist, die Personen, die diese Gespräche mit dem Hinweisgeber durchführen, entsprechend zu schulen, vor allem in Fällen, in denen Hinweisgeber von Risiken bzw. Verletzungen stark betroffen oder ggf. auch traumatisiert sind.

Es besteht auch die Möglichkeit, dem Hinweisgeber die Option einer einvernehmlichen Streitbeilegung gemäß § 8 Abs. 1 LkSG aufzuzeigen. Im Rahmen der einvernehmlichen Streitbeilegung suchen die beteiligten Parteien einen vermittelnden neutralen Dritten auf, um gemeinsam zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Die einvernehmliche Streitbeilegung hat unter anderem den Vorteil, Kosten zu vermeiden, die aufgrund von langwierigen Verhandlungen oder Untersuchungen anfallen würden.

Veröffentlichung einer Verfahrensordnung

Des Weiteren werden die Unternehmen dazu verpflichtet, eine Verfahrensordnung in Textform zu veröffentlichen. Nähere Bestimmungen, welche inhaltlichen Aspekte in der Verfahrensordnung geregelt sein müssen, sind im Gesetzeswortlaut nicht enthalten. Es ist jedoch empfehlenswert, u.a. über die eingerichteten Beschwerdekanäle zu berichten, die Zuständigkeit und Erreichbarkeit näher zu benennen sowie Informationen darüber zu erteilen, dass der Hinweisgeber keine Repressalien aufgrund der Abgabe eines Hinweises zu befürchten hat, und vieles mehr.

Eignung und Qualifikation von zuständigen Personen

Die von dem Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Personen müssen Gewähr für unparteiisches Handeln bieten, insbesondere müssen sie unabhängig sein und dürfen an Weisungen nicht gebunden sein (d.h. die zuständigen Personen dürfen nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Konfliktparteien stehen und auch nicht deren Weisungen unterworfen sein). Sie sind zudem zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Durchführung der Überprüfung

Die Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens muss mindestens einmal im Jahr sowie anlassbezogen überprüft werden, wenn das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage im eigenen Geschäftsbereich oder beim unmittelbaren Zulieferer rechnen muss gemäß § 8 Abs. 5 LkSG (z.B. durch die Einführung neuer Produkte, Projekte oder eines neuen Geschäftsfeldes). Die Maßnahmen sind bei Bedarf unverzüglich zu wiederholen.

Nutzung der internen Meldestelle nach dem HinSchG als Beschwerdestelle

Viele Unternehmen werden aufgrund des bereits geltenden HinSchG eine interne Hinweisgebermeldestelle eingerichtet haben. Es kann daher ratsam sein, zu prüfen, ob diese bereits bestehenden Meldestellen auch als Beschwerdestelle gemäß dem LkSG genutzt werden können. Grundsätzlich ist es zulässig, eine eingerichtete interne Meldestelle auch als Beschwerdestelle nach dem LkSG zu nutzen. Unternehmen sollten demnach prüfen, ob Ihre interne Meldestelle auch die Möglichkeit eröffnet, Hinweise über menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken und Verletzungen entgegenzunehmen. Zudem müsste die interne Meldestelle dann aber auch so ausgestaltet sein, dass Dritte Zugang zu dieser Meldestelle erlangen können. Unternehmen sollten daher genau prüfen, ob ihre nach dem HinSchG eingerichtete interne Meldestelle auch als Beschwerdestelle gemäß § 8 LkSG genutzt werden kann und hierbei alle rechtlichen Anforderungen, die das LkSG stellt, erfüllt sind.

Ausblick

Unternehmen sollten die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens als Chance ansehen. Denn Beschwerdeverfahren können dazu beitragen, dass Unternehmen aufgrund eingehender Hinweise Nachschärfungen bei der eigenen Risikoanalyse vornehmen. Weiterhin kann durch Rücksprache mit dem Hinweisgeber in vielen Fällen eine schnelle Abhilfe der bestehenden Missstände bzw. möglichen Risiken geschaffen werden. Unser kompetentes Compliance-Team berät Sie gern bei rechtlichen Fragen, die hinsichtlich der Einrichtung einer Beschwerdestelle entstehen sowie zu allgemeinen Rückfragen hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen des LkSG. Auch unmittelbare Zulieferer werden von nach dem LkSG verpflichteten Unternehmen dazu aufgefordert werden, ggf. selbst ein solches Beschwerdesystem einzuführen oder andere Vertragsbedingungen zu unterzeichnen, um den Anforderungen des LkSG gerecht zu werden. Hierbei unterstützt Sie unser Compliance-Team jederzeit gern.