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Beschwerdeverfahren nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Die Pflicht, eine Beschwerdestelle nach den gesetzlichen Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ab spätesten dem 01.01.2024 einzurichten, rückt für Unternehmen, die in der Regel mindestens 1000 Arbeitnehmer beschäftigen, immer näher. Für Unternehmen, die in der Regel mindestens 3000 Arbeitnehmer beschäftigen, muss eine Beschwerdestelle bereits eingerichtet worden sein. Zu den Meldesystemen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) und dem LkSG wurde bereits im Februar 2023 ein Newsletterartikel unsererseits veröffentlicht.

Pflicht zur Einrichtung einer Beschwerdestelle

Gemäß § 8 Abs. 1 LkSG müssen Unternehmen, die in den Geltungsbereich des LkSG fallen, ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten. Das Beschwerdeverfahren dient als Kernelement der Sorgfaltspflichten dazu, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken oder Verletzungen zu melden, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder entlang der Lieferkette (z.B. bei dem unmittelbaren Zulieferer) entstanden sind.

Die Unternehmen haben hierbei zum einen die Möglichkeit, eine oder mehrere interne Beschwerdestellen (eine Meldestelle für interne Mitarbeiter und eine Meldestelle für Dritte) einzurichten. Des Weiteren können Unternehmen sich aber auch an einem unternehmensübergreifend externen Beschwerdeverfahren beteiligen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 LkSG. Darunter versteht man insbesondere Beschwerdemechanismen, die von Branchenverbänden eingerichtet werden.

Der Zugang zu einer Beschwerdestelle muss sowohl den Arbeitnehmern der Unternehmen entlang der Lieferkette (auch unmittelbaren Zulieferern) als auch sonstigen Personen (z.B. Anwohnern rund um die lokalen Standorte) offenstehen. Hierbei gilt es zu beachten, dass eine eigene Verletzung oder Betroffenheit von der Risikolage auf Seiten des Hinweisgebers nicht erforderlich ist. Zudem können Hinweise auch von Minderjährigen abgegeben werden. Die Abgabe von anonymen Hinweisen ist ebenfalls gesetzlich zulässig.

Empfehlenswert kann es in diesem Zusammenhang auch sein, dass unmittelbare Zulieferer selbst eine Meldestelle einrichten, um menschrechtliche und umweltbezogene Missstände oder Risiken im eigenen Unternehmen frühestmöglich zu beseitigen oder gar gänzlich zu verhindern. Womöglich sind viele der Zulieferer ohnehin aufgrund des HinSchG bereits jetzt oder spätestens ab dem 17.12.2023 gesetzlich dazu verpflichtet, eine solche interne Meldestelle einzurichten. Diese kann unter Umständen auch als Beschwerdestelle im Sinne des LkSG genutzt werden. Durch die Einrichtung einer solchen Beschwerdestelle, bei der eben auch menschrechtliche und umweltbezogene Risiken oder Verletzungen gemeldet werden können, könnten sich unmittelbare Zulieferer erheblich von anderen Konkurrenten abheben und zielgerichtet dazu beitragen, dass Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen des LkSG erfüllen. Denn ohnehin werden vor allem die unmittelbaren Zulieferer von den vom LkSG betroffenen Unternehmen dazu aufgefordert werden, bei der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des LkSG mitzuwirken.

Wesentliche Pflichten der Beschwerdestelle

Sobald eine Meldung bei der Beschwerdestelle eingegangen ist, muss der Eingang der Meldung bestätigt werden. Eine konkrete Frist, bis wann eine solche Eingangsbestätigung erfolgen muss, ist gesetzlich nicht festgelegt. Dennoch sollte die Eingangsbestätigung im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift zügig erfolgen. Der Eingang des Hinweises ist intern zu dokumentieren.

Darüber hinaus sollte laut der Handreichung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) der Hinweisgeber auch über die nachfolgenden Schritte (u.a. den aktuellen Stand des Verfahrens) sowie den zeitlichen Verlauf des Verfahrens und seine Rechte bzgl. des Schutzes vor Benachteiligungen bzw. Bestrafung informiert werden.

Erörterungspflicht und einvernehmliche Streitbeilegung

Weiterhin muss gemeinsam mit dem Hinweisgeber der Sachverhalt näher erörtert werden. Es muss daher ein konkreter Austausch mit dem Hinweisgeber stattfinden, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären und Missstände/Risiken zu beheben. Die Erörterung sollte vorzugsweise mündlich (in Präsenz, telefonisch oder per Videokonferenz) stattfinden, um einen aufwändigen Schriftverkehr zu vermeiden. Eine schriftliche Erörterung ist jedoch gesetzlich ebenfalls zugelassen. Die wesentlichen Gesprächsinhalte sollten protokolliert werden. Empfehlenswert ist, die Personen, die diese Gespräche mit dem Hinweisgeber durchführen, entsprechend zu schulen, vor allem in Fällen, in denen Hinweisgeber von Risiken bzw. Verletzungen stark betroffen oder ggf. auch traumatisiert sind.

Es besteht auch die Möglichkeit, dem Hinweisgeber die Option einer einvernehmlichen Streitbeilegung gemäß § 8 Abs. 1 LkSG aufzuzeigen. Im Rahmen der einvernehmlichen Streitbeilegung suchen die beteiligten Parteien einen vermittelnden neutralen Dritten auf, um gemeinsam zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Die einvernehmliche Streitbeilegung hat unter anderem den Vorteil, Kosten zu vermeiden, die aufgrund von langwierigen Verhandlungen oder Untersuchungen anfallen würden.

Veröffentlichung einer Verfahrensordnung

Des Weiteren werden die Unternehmen dazu verpflichtet, eine Verfahrensordnung in Textform zu veröffentlichen. Nähere Bestimmungen, welche inhaltlichen Aspekte in der Verfahrensordnung geregelt sein müssen, sind im Gesetzeswortlaut nicht enthalten. Es ist jedoch empfehlenswert, u.a. über die eingerichteten Beschwerdekanäle zu berichten, die Zuständigkeit und Erreichbarkeit näher zu benennen sowie Informationen darüber zu erteilen, dass der Hinweisgeber keine Repressalien aufgrund der Abgabe eines Hinweises zu befürchten hat, und vieles mehr.

Eignung und Qualifikation von zuständigen Personen

Die von dem Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Personen müssen Gewähr für unparteiisches Handeln bieten, insbesondere müssen sie unabhängig sein und dürfen an Weisungen nicht gebunden sein (d.h. die zuständigen Personen dürfen nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Konfliktparteien stehen und auch nicht deren Weisungen unterworfen sein). Sie sind zudem zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Durchführung der Überprüfung

Die Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens muss mindestens einmal im Jahr sowie anlassbezogen überprüft werden, wenn das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage im eigenen Geschäftsbereich oder beim unmittelbaren Zulieferer rechnen muss gemäß § 8 Abs. 5 LkSG (z.B. durch die Einführung neuer Produkte, Projekte oder eines neuen Geschäftsfeldes). Die Maßnahmen sind bei Bedarf unverzüglich zu wiederholen.

Nutzung der internen Meldestelle nach dem HinSchG als Beschwerdestelle

Viele Unternehmen werden aufgrund des bereits geltenden HinSchG eine interne Hinweisgebermeldestelle eingerichtet haben. Es kann daher ratsam sein, zu prüfen, ob diese bereits bestehenden Meldestellen auch als Beschwerdestelle gemäß dem LkSG genutzt werden können. Grundsätzlich ist es zulässig, eine eingerichtete interne Meldestelle auch als Beschwerdestelle nach dem LkSG zu nutzen. Unternehmen sollten demnach prüfen, ob Ihre interne Meldestelle auch die Möglichkeit eröffnet, Hinweise über menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken und Verletzungen entgegenzunehmen. Zudem müsste die interne Meldestelle dann aber auch so ausgestaltet sein, dass Dritte Zugang zu dieser Meldestelle erlangen können. Unternehmen sollten daher genau prüfen, ob ihre nach dem HinSchG eingerichtete interne Meldestelle auch als Beschwerdestelle gemäß § 8 LkSG genutzt werden kann und hierbei alle rechtlichen Anforderungen, die das LkSG stellt, erfüllt sind.

Ausblick

Unternehmen sollten die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens als Chance ansehen. Denn Beschwerdeverfahren können dazu beitragen, dass Unternehmen aufgrund eingehender Hinweise Nachschärfungen bei der eigenen Risikoanalyse vornehmen. Weiterhin kann durch Rücksprache mit dem Hinweisgeber in vielen Fällen eine schnelle Abhilfe der bestehenden Missstände bzw. möglichen Risiken geschaffen werden. Unser kompetentes Compliance-Team berät Sie gern bei rechtlichen Fragen, die hinsichtlich der Einrichtung einer Beschwerdestelle entstehen sowie zu allgemeinen Rückfragen hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen des LkSG. Auch unmittelbare Zulieferer werden von nach dem LkSG verpflichteten Unternehmen dazu aufgefordert werden, ggf. selbst ein solches Beschwerdesystem einzuführen oder andere Vertragsbedingungen zu unterzeichnen, um den Anforderungen des LkSG gerecht zu werden. Hierbei unterstützt Sie unser Compliance-Team jederzeit gern.

Hilfe! Wir haben schlechte Bewertungen erhalten!

Wir alle kennen sie und wir alle verlassen uns auch in vielen Fällen auf sie: Die Bewertung in diversen Internet-Portalen. Sei es der Kauf eines Produkts, bei Buchen einer Dienstleistung und vielfach auch bei der Auswahl des Arbeitgebers – häufig hängt die Entscheidungsfindung von den Bewertungen in den einschlägigen Portalen ab.

Die eigene Online-Präsenz bringt es mit sich, dass sich Unternehmen den Urteilen der eigenen Mitarbeitenden, der Kunden und manchmal auch weiteren Dritten stellen müssen.

In diesem Beitrag wollen wir einen Überblick geben, welche Bewertungen geduldet werden müssen und wann sich ein Vorgehen gegen Bewertungen lohnt.

Der Grundsatz – Meinungsfreiheit oder warum ein Unternehmen kritische bis unfaire Bewertungen dulden muss

Im Grundsatz gilt: Wer im Internet zu finden ist, der muss damit rechnen, dass verärgerte Beschäftigte und Kunden sich mit einer negativen Bewertung für (empfundene) Schlechtbehandlung „revanchieren“.

Ob ein Vorgehen gegen eine Bewertung Aussicht auf Erfolg hat, hängt – wie sollte es auch anders sein – vom jeweiligen Einzelfall ab. Die Einzelfälle lassen sich grob in die nachfolgend dargestellten Kategorien einsortieren.

Meinung oder Schmähkritik

Besteht eine Bewertung aus der Meinung des Bewertenden, ist die Bewertung grundsätzlich von der in Artikel 5 Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit gedeckt und muss dann geduldet werden.

Unter „Meinung“ ist alles zu verstehen, was nicht einem Beweis zugänglich ist. Vereinfacht gesagt: eine Meinung ist dadurch gekennzeichnet, dass diese nicht als „wahr“ oder „unwahr“ eingestuft werden kann, also nicht objektiv überprüfbar ist. Die Meinung ist vielmehr vom Element der Stellungnahme, der Bewertung und der Beurteilung geprägt.

Allerdings hat auch die Meinungsfreiheit ihre Grenzen. Dies ist dann der Fall, wenn die Meinung die Grenze zur Schmähkritik übersteigt. Eine solche Schmähkritik liegt dann vor, wenn die Diffamierung des Bewerteten und gerade nicht die Auseinandersetzung mit der Sache im Vordergrund steht. Bei der Frage der Abgrenzung, ob eine Äußerung (gerade noch) im Zusammenhang mit der Sache steht, sind viele Gerichte sehr großzügig.

Dies zeigte sich in jüngster Vergangenheit an Äußerungen über eine Politikerin. So stellte das Kammergericht Berlin mittels Beschlusses (Beschluss vom 11.03.2020, Az. 10 W 13/20) – zur Überraschung vieler – fest, dass z.B. die Bezeichnungen „Dieses Stück Scheisse. Überhaupt so eine Aussage zu treffen zeugt von kompletter Geisteskrankheit.“ und „Schlampe“ einen Sachbezug zu einem von der Politikerin getätigten Zwischenruf im Berliner Abgeordnetenhaus hatten.

Erst auf Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 19.12.2021, Az. 1 BvR 1073/20) korrigierte das Kammergericht Berlin seine ursprüngliche Rechtsauffassung und stufte diese und weitere Begriffe als unzulässige Schmähkritik ein.Die Schmähkritik von der zulässigen Meinungsäußerung abzugrenzen, fällt nicht nur den Richterinnen und Richtern am Berliner Kammergericht schwer.

Aber eine genaue Prüfung, ob die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist, ist entscheidend dafür, ob für die Löschung einer Bewertung (sehr) gute Erfolgsaussichten bestehen oder nicht.

(Unwahre) Tatsachen

Etwas einfacher als die Abgrenzung von zulässiger Meinungsfreiheit und Schmähkritik ist die Abgrenzung von Meinung und Tatsache. Im Gegensatz zur Meinung ist die Tatsache dem Beweis zugänglich. Eine Tatsache liegt immer dann vor, wenn diese auf den Wahrheitsgehalt hin überprüfbar ist.

In Bewertungen muss ein Unternehmen nur wahre Tatsachenbehauptungen dulden. Erweist sich eine Behauptung des Bewertenden jedoch als unwahr, lohnt sich in der Regel ein juristisches Vorgehen gegen den Bewertenden.

Dies ist z.B. auch dann der Fall, wenn Bewertende ein Unternehmen ohne Angaben weiteren Inhalts mit einem Stern bewerten, obwohl Bewertende und Bewerteter gar nicht in einer Kundenbeziehung oder in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Dies ist in der Praxis durchaus nicht unrelevant, denn auch Mitbewerber können den Versuch unternehmen, die Konkurrenz durch schlechte Bewertungen zu diskreditieren.

Mischform: Meinung und Tatsachen

In der Praxis bestehen Bewertungen selten aus reinen Meinungen oder reinen Tatsachenbehauptungen. Vielmehr sind häufig beide Elemente in einer einzelnen Bewertung miteinander vermischt oder vereint. Können die geäußerten Tatsachen nicht von den Meinungen getrennt werden, ist auf den Gesamtkontext der Bewertung abzustellen. Hierbei ist dann der Schwerpunkt der Bewertung insgesamt zu ermitteln.

Auch im Rahmen dieser Abwägung wird die grundrechtlich geschützte Meinung sehr weit ausgelegt. Bei einer gemischten Äußerung wird in der Regel davon ausgegangen, dass diese als Meinung zu verstehen ist.

Aber auch hier lohnt sich eine genaue Prüfung des Einzelfalls zur Ermittlung der Chancen eines Vorgehens. 

Wie kann MKM unterstützen?

Schlechte Bewertungen können für Unternehmen somit dazu führen, dass Bewerbungen ausbleiben oder Interessenten nicht zu Kunden werden. Aus diesem Grund sollten Sie Ihre Bewertungen stets im Blick haben.

Wir unterstützen Sie selbstverständlich gerne bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen eine Bewertung bis hin zur gerichtlichen Auseinandersetzung mit den Bewertenden.

Haben Sie keine eigenen Kapazitäten für das Monitoring der Bewertungen Ihres Unternehmens auf diversen Plattformen? Wir übernehmen auch gerne das Monitoring und bereiten für Sie auf Wunsch die Entscheidungsgrundlage vor, ob Sie gegen eine Bewertung vorgehen möchten oder nicht. Sprechen Sie unser Team am besten einfach an!

BGH verschärft Aufklärungspflichten für Immobilienverkäufer

Mit Urteil vom 15.09.2023 zum Aktenzeichen V ZR 77/22 stellte der Bundesgerichtshof nunmehr klar, dass der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zur Immobilie gewährt, seine Aufklärungspflicht nur dann erfüllt, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum tatsächlich Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen kann.

Sachverhalt

Der Streitfall betrifft den Kauf mehrerer Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex im Wert von über 1,5 Millionen Euro unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Im Kaufvertrag versicherte die Verkäuferin, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftige Sonderumlage ergäbe und nach ihrer Kenntnis keine außergewöhnlichen Sanierungen bevorstünden, deren Kosten durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckt seien. Weiter hieß es in dem Kaufvertrag, die Verkäuferin habe der Käuferin Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen drei Jahre übergeben, und die Käuferin kenne den Inhalt der Unterlagen.

Im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen erhielt die Käuferin Zugriff auf einen von der Verkäuferin eingerichteten virtuellen Datenraum, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt. Drei Tage vor Vertragsschluss stellte die Verkäuferin dort das Protokoll einer Eigentümerversammlung ein, aus welchem sich ergab, dass auf die Käuferin Kosten von bis zu 50 Millionen Euro für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zukommen könnten. Nachdem die Mehrheitseigentümerin die Zahlung der Instandhaltungskosten verweigerte, kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, in welcher ein Vergleich mit dem Inhalt geschlossen wurde, dass die Eigentümer der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage zahlen sollten.

Daraufhin focht die Käuferin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und erklärte vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Käuferin begründete ihr Vorgehen damit, dass ihr das Protokoll untergeschoben worden sei, da dieses erst kurz vor dem Notartermin klammheimlich hochgeladen wurde.Mit der Klage verlangt die Klägerin die Freistellung von den zur Finanzierung des Kaufpreises eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten, hilfsweise die Zahlung von 1.500.000 €, daneben die Zahlung von 184.551,82 € – jeweils Zug um Zug gegen Übereignung der Gewerbeeinheiten und Abtretung der Rückgewähransprüche bezüglich der eingetragenen Grundschulden – sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden und des Annahmeverzugs.

Entscheidung der Vorinstanzen

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre Klageanträge weiterverfolgt.

Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts im Wesentlichen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Verkäuferin habe hinsichtlich des Kostenumfangs für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen keine sie treffende Aufklärungspflicht verletzt, sei rechtsfehlerhaft.

Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass allein der Umstand, dass der Verkäufer einen Datenraum einrichtet und dem Kaufinteressenten den Zugriff auf die Daten ermöglicht, nicht stets den Schluss zulässt, dass der Käufer den offenbarungspflichtigen Umstand zur Kenntnis nehmen wird. Nur wenn im Einzelfall die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Käufer bestimmte, von dem Verkäufer in dem Datenraum bereitgestellte Informationen – etwa im Rahmen einer Due Diligence – wahrnehmen und in seine Kaufentscheidung einbeziehen wird, ist eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer nicht erforderlich. Der BGH hat insofern seine bisherige Rechtsprechung zu übergebenen Papier-Unterlagen sinngemäß auf virtuelle Dokumente in einem Datenraum übertragen.

Ob der Verkäufer erwarten durfte, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa davon, ob und in welchem Umfang der Käufer – wozu er von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist – eine Due Diligence durchführt, wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert sind, welche Vereinbarungen hierzu getroffen wurden, wie wichtig die Information ist, um deren Offenbarung es geht, und wie leicht sie im Datenraum aufzufinden ist.

Auswirkung

Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen für künftige Transaktionen, da die bisherige Praxis von Verkäufern, sich allein durch die Offenlegung von Unterlagen von jeder Haftung zu befreien, erheblich eingeschränkt wird. Vielmehr sind diese nunmehr verpflichtet, über für die Kaufentscheidung wesentliche Umstände, frühzeitig und eindeutig aufklären. Der BGH hat mit der nun vorliegenden Entscheidung der bislang üblichen Praxis der Verkäufer, sich allein durch eine übermäßige und bisweilen auch sehr kurzfristige Offenlegung von Unterlagen von jeglicher Haftung frei zu zeichnen, einen Riegel vorgeschoben.

Sanktionen, Bußgelder und Schadensersatzpflicht – das neue Hinweisgeberschutzgesetz ist da!

Seit 02.07.2023 ist das neue Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft – eine echte Herausforderung für Unternehmen. Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) trifft Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung die gesetzliche Pflicht, eine interne Meldestelle einzuführen.

Die Einrichtung des Hinweisgeberverfahrens gilt dabei für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten bereits seit 02.07.2023. Kleineren Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten, aber weniger als 250 Mitarbeitenden wird noch eine „Schonfrist“ bis zum 17.12.2023 zur Implementierung einer internen Meldestelle eingeräumt.

Die Anschaffung und die Inbetriebnahme eines funktionierenden Hinweisgebersystems verursachen Aufwände in finanzieller und personeller Hinsicht. Gerade kleinere Unternehmen stehen vor der Frage, einen professionellen Anbieter eine Meldestelle zu beauftragen oder eigene betriebsinterne Personalressourcen für die Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen entsprechend einzusetzen und zu schulen. Nicht zuletzt verlangt das HinSchG für die mit dem internen Meldesystem beauftragten Mitarbeiter eine gewisse Fachkunde, sodass entsprechende Schulungen für das Personal zu empfehlen sind, um eine ordnungsgemäße Bearbeitung von Hinweisen zu gewährleisten.

Die Einführung eines internen Meldesystems sollte von Betriebsinhabern und Geschäftsführern nicht stiefmütterlich behandelt werden, auch wenn die Nicht-Umsetzung eines internen Hinweisgebersystems oder aber eine kostengünstige Hinweisgeberplattform, wie eine einfache E-Mail-Adresse, zunächst lukrativer erscheint.

Ordnungswidrigkeiten nach dem HinSchG – gestaffelte Bußgelder

Verstöße gegen die Vorgaben des HinSchG können als Ordnungswidrigkeiten mit empfindlichen Geldbußen bewertet werden. § 40 Abs. 2 HinSchG normiert als bußgeldbewehrten Tatbestand, die Nicht-Einrichtung und Nicht-Inbetriebnahme einer internen Meldestelle trotz gesetzlicher Verpflichtung der Implementierung eines internen Meldesystems. Gleichzeitig werden die Behinderung der Kommunikation entgegen der gesetzlichen Vorschiften und der Verstoß gegen Repressalien mit Bußgeldern bedroht. Gemäß § 40 Abs. 3 HinSchG stellt auch die Verletzung der Vertraulichkeit ein bußgeldbewährtes Verhalten dar.

Die Bußgelder nach dem HinSchG unterliegen einer Staffelung:

Der Gesetzgeber hat Unternehmen ab 250 Beschäftigten aufgrund der kurzen Frist zwischen Verkündung des Gesetzes und Inkrafttreten ab dem 02.07.2023 eine „Übergangsfrist“ hinsichtlich der Verhängung von Bußgeldern wegen Nicht-Einrichtung einer internen Meldestelle gewährt. So werden Bußgelder wegen Nicht-Einrichtung erst ab dem 01.12.2023 vorgesehen. Während die Nicht-Einrichtung einer internen Meldestelle eine Geldbuße bis zu 20.000 € nach sich ziehen kann, fallen die Bußgelder für die Behinderung der Kommunikation und dem Einsatz von Repressalien deutlich höher aus.

Die Behinderung der Meldung von Hinweisen oder die Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und der Meldestelle kann ebenso wie die Androhung oder Anwendung von Repressalien gegenüber hinweisgebenden Personen und die Verletzung der Vertraulichkeit mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 € geahndet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen verzehnfacht sich das Höchstmaß der Geldbuße im Fall der Behinderung der Kommunikation oder dem Einsatz von Repressalien auf mitunter 500.000 €. Betriebsinhaber, die sich aus finanziellen Gründen weigern eine interne Meldestelle einzuführen und darauf spekulieren, dass die Nicht-Implementierung unentdeckt bleibt, riskieren daher ein erhebliches Bußgeld, welches in der Summe höher ausfallen dürfte als die Einrichtung einer internen Meldestelle und die dazugehörige Personalschulung oder Beauftragung externer Dritter.

Kostengünstige Meldestellenvarianten – Problem der Vertraulichkeit

Die Verunsicherung vieler Unternehmen hinsichtlich der Einrichtung eines internen Meldesystems ist groß. Es gibt daher vielerorts Überlegungen, ein internes Meldesystem durch geringfügige Änderungen zu generieren.

Eigene Meldekanäle wie betriebseigene E-Mail-Adressen über einen allgemeinen E-Mailanbieter werden ebenso wie allgemeine Telefonhotlines den Anforderungen des Vertraulichkeitsgrundsatzes nach dem HinSchG nicht gerecht. Es besteht bei diesen Alternativen keinerlei Garantie, dass ausschließlich die mit dem internen Meldesystem beauftragte Person Zugriff auf interne Meldekanäle erhält und die Anonymität des Hinweisgebenden gewahrt wird.

Nicht zuletzt die interne IT-Administration des Unternehmens oder des Server-Anbieters kann auf das entsprechende E-Mail-Konto zugreifen und so die Kommunikation mitlesen. Die Rufnummer des Hinweisgebers kann gespeichert und ausgelesen werden, sodass Rückschlüsse auf den Hinweisgebenden bzw. sogar auf den Inhalt des Hinweises gezogen werden können.

Dies steht im direkten Widerspruch zum Vertraulichkeitsgebot des HinSchG. Das gesamte Hinweisgebersystem beruht auf dem Schutzgedanken des Hinweisgebers und muss dergestalt konzipiert sein, ein Meldesystem einzurichten, bei welchem die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person gewahrt wird. Nur die beauftragten Personen, die eingehende Hinweise bearbeiten, sollen auf diese Informationen Zugriff haben, sofern nicht eine Weitergabe nach § 8 HinSchG zulässig ist.

Weitergehende Schutzvorkehrungen wie eine Zwei-Faktor-Authentifizierung sind bei den genannten Konstellationen auch nur schwer realisierbar, aber zum Schutz der Vertraulichkeit dringend anzuraten. Beispielsweise bei Verhinderung der für die Meldestelle beauftragten Person müssen Zugangsbeschränkungen zur Hinweisgeberplattform wie Passwörter etc. an Vertreterpersonen weitergegeben werden. Dies stellt mitunter ein weiteres Risiko dar, dass Unberechtigte Zugang zur Hinweisgeberplattform erhalten oder etwa ausgeschiedene Mitarbeitende auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf ein allgemeines E-Mail-Postfach zugreifen können.

Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht bereiten derartige kostengünstigere Varianten Probleme, sodass hier weitere Bußgelder für die Unternehmen oder Betriebe drohen können.

Schadensersatz bei Verstößen – weitere finanzielle Belastung für Unternehmen

Neben den genannten empfindlichen Bußgeldern verpflichtet der Gesetzgeber Unternehmen und Betriebe zur Zahlung von Schadensersatz. Wird eine hinweisgebende Person im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit nach einer Meldung benachteiligt, so steht ihr nach dem HinSchG ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Dieser Anspruch besteht neben der Auferlegung des Bußgeldes, sodass es hier zu einer doppelten finanziellen Belastung des Unternehmens kommen kann. 

Fazit

Das HinSchG stellt betroffene Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Um hohe Bußgelder zu vermeiden, sollten Unternehmen innerhalb der für sie geltenden Frist IT-geschützte Hinweisgebersysteme einführen und entsprechende Kosten auf sich nehmen, um später nicht mit noch größeren finanziellen Konsequenzen konfrontiert zu werden.

Wir beraten Sie gerne zu den rechtlichen Anforderungen nach dem HinSchG und unserem sicheren Hinweisgebersystem White Sparrow der MKM Compliance GmbH.

Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber keine Personalvermittlungsprovisionen erstatten

BAG Urteil vom 20. Juni 2023 – 1AZR 265/22 –

Ein Arbeitnehmer wurde über einen Personaldienstleister vermittelt. Für diese Vermittlung zahlte der Arbeitgeber eine Provision in Höhe von 4.461,60 €. Weitere 2.230,80 € sollten nach Ablauf einer sechsmonatigen Probezeit fällig werden. In dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen Arbeitsvertrag wurde der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die bezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Datum aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen beendet würde. Darunter fiel auch die Eigenkündigung des Arbeitnehmers.

Es kam, wie es kommen musste: Der Arbeitnehmer kündigte bereits nach 2 Monaten ordentlich fristgerecht. Der Arbeitgeber verlangte die Provision zurück. Einen Teil von rund 800 € behielt er vom Arbeitsentgelt ein. Den überschießenden Betrag machte der Arbeitgeber gerichtlich gegenüber dem Arbeitnehmer geltend. Der Arbeitnehmer klagte auf Zahlung der einbehaltenen 800 € und bekam durch alle Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht (nachfolgend BAG) hin Recht.

Das BAG stellte fest, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklausel um eine Einmalbedingung im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelte. Diese werden nach den Regelungen der §§ 305c Abs. 2, 306, 307 und § 309 BGB wie Allgemeine Geschäftsbedingungen auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin geprüft. Die Rückzahlungsklausel benachteiligte nach Ansicht des BAG den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und war nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Arbeitnehmer wurde durch die Rückzahlungsklausel in seinem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt gewesen wäre. Der Arbeitgeber muss das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich die von ihm gezahlte Vermittlungsprovision nicht rentierte, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag zulässig nach kürzerer Zeit beendet. Es besteht kein billigenswertes Interesse des Arbeitnehmers, die Provision auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.

Recht auf Datenkopie – Neues vom EuGH

Noch immer herrscht in vielen Unternehmen so etwas wie Alarmstimmung, wenn Anträge auf Auskunft nach Artikel 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eingehen. Das gilt besonders bei Auskunftsbegehren von gekündigten Mitarbeitern – oder solchen, die diesen Status anstreben. Der Schrecken liegt dabei weniger in der Aufzählung der Kategorien der verarbeiteten Daten mitsamt der Verarbeitungszwecke, da dies bei einem gepflegten Verarbeitungsverzeichnis keine große Sache sein sollte. Kopfzerbrechen bereitet vielmehr regelmäßig die mit dem Auskunftsersuchen verbundene Forderung nach Kopien der personenbezogenen Daten im Sinne des Artikel 15 Absatz 3 DSGVO. Bei Anträgen von langjährigen Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder Kunden ist schon der Aufwand beim Sammeln der relevanten Dokumente immens. Da E-Mails, Briefe, Protokolle etc. wiederum regelmäßig personenbezogene Daten von Dritten sowie ggf. Geschäftsgeheimnisse beinhalten, wird in der Praxis meistens dann noch viel Zeit investiert, um Wörter und Passagen zu schwärzen. Die Frage ist, ob dieser ganze Aufwand wirklich immer nötig ist.

Das Recht des Betroffenen nach Artikel 15 Absatz 3 DSGVO

Nach Artikel 15 Absatz 3 DSGVO stellt der Verantwortliche „eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung“. Form und Frist zu diesem Anhängsel zur Auskunft ergeben sich aus Artikel 12 DSGVO. Ansonsten ist rund um das Recht auf Datenkopie einiges umstritten. Der wesentliche Streit dreht sich darum, was denn eigentlich Kopie in diesem Sinne bedeutet: Müssen ganze Dokumente oder gar Datenbanken zur Verfügung gestellt werden oder genügt es, wenn das konkrete personenbezogene Datum ohne Kontext mitgeteilt wird.

Der Betroffene soll durch die Auskunft des Verantwortlichen die Rechtmäßigkeit der Verarbeitungen überprüfen können. Zu diesem Zweck erzwingt Art. 15 DSGVO eine weitestgehende Transparenz, wozu auch der Einblick in die konkreten Verarbeitungen gehörten soll.

Die Meinung des EuGH…

Der EuGH hat nun in seinem Urteil vom 04.05.2023 (Az. C‑487/21) festgehalten, dass der Betroffene gemäß Art. 15 DSGVO das Recht hat, eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller vorhandenen Daten zu erhalten. Allerdings: Dokumente bzw. Datenbanken ganz oder in Auszügen muss man nur dann in Kopie herausgeben, wenn es unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die DSGVO verliehenen Rechte zu ermöglichen. „Kopie“ meint in diesem Zusammenhang nämlich nicht das Dokument an sich, sondern die personenbezogenen Daten, die darin zu finden sind.

…und warum das eine gute Nachricht für Verantwortliche ist

Die verantwortlichen Unternehmen werden darüber nicht auf den ersten Blick jubeln. Schließlich obliegt die Einschätzung dieser Unerlässlichkeit natürlich zunächst dem Verantwortlichen, weil er auf die Anfrage des Betroffenen reagieren muss. Es droht immer noch der Aufwand, bei jedem einzelnen Dokument, in dem ein personenbezogenes Datum des Betroffenen zu lesen ist, prüfen zu müssen, ob die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nur mittels des gesamten oder Teil des Dokuments geprüft werden kann.

Andererseits muss man bedenken, dass Unternehmen nun dazu neigen können, die ganze Sache erheblich zu vereinfachen: Der Betroffene erhält nur eine Darstellung der konkreten personenbezogenen Daten als Kopie, Dokumente dazu werden zunächst gar nicht herausgerückt – möge doch der Betroffene im zweiten Schritt darlegen, warum er den gesamten Kontext für seine Einschätzung der Rechtmäßigkeit braucht. Gerade im Streit mit Arbeitnehmern, die sich im Kündigungsprozess über den Kopieanspruch brisante Informationen besorgen möchten, könnte man dank EuGH den Informationsgehalt der Unterlagen erheblich reduzieren. Das DSGVO-Schwert, das Rechtsanwälte gern vorm Arbeitsgericht schwingen, würde zusehends stumpfer werden.

Betroffene sehen schwarz

Wenig hilfreich erscheint der Tipp des EuGH, dass bei der Auskunftserteilung die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind – das steht so auch schon in Art. 15 Absatz 4 DSGVO. Auch der Hinweis, dass diese Berücksichtigung nicht dazu führen dürfe, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird, steht im Satz 6 des 63. Erwägungsgrunds zur DSGVO. Wann nun geistiges Eigentum, Geschäftsgeheimnisse oder schlicht personenbezogen Daten Dritter dazu führen dürfen, dass Wörter und ganze Passagen in einem Dokument geschwärzt werden, kann man mit diesen Allgemeinplätzen nicht im Einzelfall beantworten.

Andererseits hilft die Festlegung des EuGH in Bezug auf den Kopie-Begriff bei der vorzunehmenden Abwägung: Wenn der Betroffene die personenbezogenen Daten eines Dritten z.B. in einer E-Mail nicht sehen muss, um zu ergründen, ob sein Datum rechtmäßig verarbeitet wird, spricht nichts dagegen, die Daten des Dritten zu schwärzen, da sie gar nicht Teil der Datenkopie sein müssen. Man darf davon ausgehen, dass diese und ähnliche Fragen die Gerichte noch viele Jahre beschäftigen werden.

Sonderfall Patientenakte?

Eine der Fälle, die in Zukunft auch noch vom EuGH entschieden werden müssen, basiert auf dem Vorlagebeschluss des BGH vom 29.08.2022 (Az. VI ZR 1352/20). Da geht es u.a. um die für Ärzte nicht unerhebliche Frage, ob man Patienten für eine Kopie der Patientenakte zur Kasse bitten darf (so ausdrücklich § 630g Absatz 2 Satz 2 BGB) oder ob die Kostenfreiheit aus Artikel 12 Absatz 5 Satz 1 DSGVO vorgeht. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten EuGH-Entscheidung möchte man folgende Antwort orakeln: Da eine Kopie der Daten nicht unbedingt ein ganzes Dokument darstellen muss, müsste der Arzt den Patienten vor die Wahl stellen dürfen: Kopien von Daten aus der Patientenakte mit mehr oder weniger Kontext gibt es kostenlos, eine komplette Aktenkopie gibt es nur gegen Entgelt. Dass der gemeine Bürger bei einer solchen Auswahl verwirrt den Kopf schütteln wird, scheint gewiss – aber so ist es in rechtlichen Dingen leider oft.

Fazit

Unternehmen, die zur Beantwortung von Auskunftsanfragen bereits Prozesse aufgesetzt haben, sollten diese nach den letzten EuGH-Urteilen auf den Prüfstand stellen – die anderen sollten einen solchen Prozess dringend aufsetzen. Zunächst muss man sich fragen, wie unter Berücksichtigung aller geschäftlichen Umstände des Verantwortlichen grundsätzlich mit Forderung nach Kopien umgegangen werden muss: Bei welchen Verarbeitungen von Mitarbeiter- oder Kundendaten liegt es in der Natur der Sache, dass die reinen Daten ohne das sie beinhaltende Dokument nicht ausreichend sein werden? Sodann muss man festlegen, ob man im Rahmen der Bearbeitung eines konkreten Kopiebegehrens eher eine rechtssichere aber dafür aufwändigere Reaktion zeigen möchte, die eben weiter die Übermittlung ganzer Dokumente vorsieht, oder ob dies eher zur Ausnahme gekürt werden soll. Egal, ob es um diese grundlegenden Weichenstellungen oder um die Hilfe bei der konkreten Auskunft geht: Wir von MKM stehen Ihnen immer professionell und kompetent mit Rat und Tat zur Seite.

Geplante Erhöhung des Mindestlohnes ab Januar 2024

Die Mindestlohnkommission hat am 26. Juni 2023 ihren Vorschlag zur erneuten Erhöhung des Mindestlohnes bekannt gegeben. Danach soll der Mindestlohn ab dem 01. Januar 2024 auf 12,41 Euro steigen und zum 01. Januar 2025 nochmals auf 12,82 Euro erhöht werden. Der Vorschlag der Mindestlohnkommission ist nun von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung verbindlich zu machen.

Der Mindestlohn wurde zuletzt zum 01. Oktober 2022 durch Gesetz auf 12,00 Euro erhöht. Dabei wurde gleichzeitig die Grenze für den Minijob von 450,00 Euro auf 520,00 Euro angepasst. Mit der nunmehr geplanten Erhöhung müssen Arbeitgeber eine Anpassung der Stunden bei geringfügig Beschäftigten im Blick behalten, um die Verdienstgrenze bei Minijobs nicht zu überschreiten. Gerne helfen Ihnen unsere Arbeitsrechtsexperten Jane Hohmann und Vivien Demuth bei der Anpassung der Verträge, bei Fragen zur Anwendbarkeit des Mindestlohnes und weiteren Fragen rund ums Arbeitsrecht.

Wenn der Schwanz mit dem Hund wackelt oder verkehrte Welt im Umgangsrecht?

Das Landgericht Frankenthal entschied am 12.05.2023 (LG Frankenthal, 2 S 149/22), dass der ehemalige Lebensgefährte nach der Trennung Anspruch auf Umgang mit dem gemeinsamen Hund (Labradorrüden) hat. Eine Regelung, wonach jeder der beiden Ex-Partner im zweiwöchigen Wechsel sich um den Hund kümmern darf, sei interessengerecht.

Der Hund ist keine Sache oder doch?

Das LG Frankenthal hat sachenrechtlich entschieden. Beide Lebenspartner waren und sind Miteigentümer des Hundes, der nach § 90a BGB zwar keine Sache ist, aber gleichwohl rechtlich wie eine behandelt wird. Miteigentümern steht die Nutzung ihres Gemeinschaftseigentums dann auch gemeinschaftlich zu – und da man den Hund nicht teilen kann wie ein Stück Brot – war hier eine andere Form des „Umgangs“ zu regeln. Der wechselseitigen „Nutzung“ des Hundes stand auch nicht das Wohl des Hundes entgegen, jedenfalls konnte das Gericht eine solche „Tierwohlgefährdung“ nicht erkennen. Somit war die Entscheidung letztendlich keine echte des Umgangsrechts, sondern eine rein sachenrechtliche Feststellung.

Die Parteien hätten den Fall z.B. auch durch eine Auflösung der Miteigentümergemeinschaft durch Verwertung (Pfandverkauf!) erreichen können. Das war offensichtlich nicht gewollt.

Entscheidend ist immer das Eigentumsverhältnis!

In der Rechtsprechung gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle des Streits um den „Familienhund“. Das OLG Stuttgart (Beschl. v. 16.04.2019 – 18 UF 57/19) entschied letztlich mit ähnlicher Begründung, in der Sache aber genau anders. Dem Ex-Ehepartner wurde die Zuweisung des Hundes (als Haushaltsgegenstand) verweigert, weil der andere Ex-Partner nach Auffassung des Gerichts Alleineigentümer u.a. aufgrund alleinigen Eintrags in der Übergabeurkunde des Hundes war. Nach § 1568b Abs. 2 BGB steht das Alleineigentum des anderen Ex-Partners aber der Zuweisung entgegen. Eine Überlassung von Gegenständen nach der Rechtskraft der Scheidung kann nur bei gemeinsamen Haushaltsgegenständen verlangt werden. Bei Alleineigentum steht die Sache dem Eigentümer auch alleine zu!

Drum

Wer sich einen Hund zulegt, hat ein Umgangsrecht, wenn er in den Papieren steht!

Equal Pay als Anspruch auf gleiche Bezahlung in der Arbeitnehmerüberlassung – Die Leiharbeit im Lichte der Rechtsprechung des BAG

Häufig greifen Unternehmen auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurück, um vorhandene Lücken im Personalbedarf kurzfristig zu füllen. Hierbei gibt es jedoch sowohl für Entleiher als auch für Verleiher immer wieder große Unsicherheiten, vor allem hinsichtlich der Vergütung eines Leiharbeitnehmers.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Entscheidung bestätigt, dass durch Tarifverträge der Zeitarbeit vom sog. Equal-Pay-Grundsatz „nach unten“ abgewichen werden kann.

Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz

In § 8 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ist der sog. Gleichstellungsgrundsatz geregelt. Dieser besagt, dass Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung grundsätzlich Anspruch auf die im Betrieb des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers haben (Grundsatz des Equal Pay und des Equal Treatment). Von diesen Vorgaben kann nach § 8 Abs 2 AÜG ein Tarifvertrag „nach unten“ abweichen, sodass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer eine niedrigere Vergütung zahlen muss. Dies hat das BAG nun in einer neuen Entscheidung bestätigt (BAG, Urteil vom 31.05.2023- 5 AZR 143/19).

In dem entschiedenen Fall ging es um eine teilzeitbeschäftigte Leiharbeitnehmerin, die im Rahmen eines befristeten Vertrags von Januar bis April 2017 an ein Einzelhandelsunternehmen verliehen war und für 2017 nunmehr einen Anspruch auf Differenzvergütung in Höhe von 1.296,72 Euro brutto geltend gemacht hat. Ihr Gehalt betrug zuletzt 9,23 Euro brutto pro Stunde, während ihren Angaben zufolge ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers, sog. Stammmitarbeiter, einen Stundenlohn in Höhe von 13,64 Euro brutto erhalten hat. Die Tarifverträge zwischen der iGZ und ver.di finden auf das Arbeitsverhältnis der Leiharbeitnehmerin Anwendung.

Das BAG hat – nach Vorlage an den EuGH – entschieden, dass die Leiharbeitnehmerin keinen Anspruch auf die gleiche Vergütung wie die Stammmitarbeitenden des Entleihers hat. Aufgrund der Anwendbarkeit des Tarifwerks der iGZ und ver.di war der Verleiher nur verpflichtet, die tarifliche Vergütung zu zahlen. Im Zusammenhang mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer genügt das hier anwendbare Tarifwerk den Anforderungen von Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL. Die EU-Richtlinie lässt eine Schlechterstellung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern zu, sofern dies unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ erfolgt. Hierzu müssen Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen. Ein Ausgleichsvorteil kann etwa die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten sein, wenn ein Leiharbeitnehmer nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt wird oder der Entleiher sich ein vertragliches Mitspracherecht bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer vorbehalten hat. Verleihfreie Zeiten sind somit auch in befristeten Leiharbeitsverhältnissen stets möglich.

Vorliegend sieht das Tarifwerk von iGZ und ver.di eine Fortzahlung der Vergütung auch in verleihfreien Zeiten vor und der Verleiher kann das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten nicht auf den Leiharbeitnehmer übertragen. Auch ist die Abweichungsmöglichkeit vom Grundsatz des Equal Pay gesetzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt. Eine Abweichung „nach unten“ ist somit unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ erfolgt und die Leiharbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf die Differenzvergütung.

Inbezugnahme eines Tarifvertrags

Bereits 2019 hat das BAG entschieden, dass eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz nach § 8 Abs. 1 AÜG („Equal Pay“) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nur wirksam ist, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund einer Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist (BAG, Urteil vom 16.10.2019 – 4 AZR 66/18).

Eine lediglich teilweise Inbezugnahme durch punktuelle Vereinbarungen einzelner tariflicher Bestimmungen oder durch Inbezugnahme von Regelungsbereichen oder -komplexen genügt somit nicht, um eine Abweichung vom Gleichstellungsgebot zu erlauben. Unschädlich sind hingegen vertragliche Regelungen über Gegenstände, die tariflich nicht geregelt sind oder die zugunsten des Arbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen abweichen.

Hierbei ist auch zu berücksichtigten, dass eine Anwendung des Tarifwerkes auf das Leiharbeitsverhältnis nur für Zeiten eines Einsatzes bzw. einer Überlassung für die Gewährung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht ausreichend ist. Vielmehr müssen auch für verleihfreie Zeiten die Regelungen des Tarifvertrags insgesamt anwendbar sein.

Fazit

Leiharbeitnehmer dürfen daher bei Geltung eines Tarifvertrages schlechter bezahlt werden als Stammmitarbeiter beim Entleiher, auch wenn sie dieselbe Arbeit verrichten, wenn der Tarifvertrag ihnen andere Ausgleichsvorteile sichert, wie etwa die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten. Die Entscheidung des BAG setzt die vom EuGH gemachten Vorgaben entsprechend um und gewährt Arbeitgebern mehr Sicherheit beim Einsatz von Leiharbeitnehmern sowie Schutz vor Nachzahlungen an Leiharbeitnehmer und Sozialversicherungsträger.

TikTok – Publicity um jeden Preis & jedes Risiko

Das soziale Netzwerk TikTok erfreut sich immer größerer Beliebtheit, auch bei Unternehmen. Denn insbesondere soziale Netzwerke eignen sich ausgezeichnet, kostengünstig und mit geringem Aufwand für Leistungen und Produkte eines Unternehmens zu werben. Jedoch stellt die Nutzung sozialer Netzwerke, wie auch TikTok, Unternehmen vor allem in Bezug auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen vor immer neue Herausforderungen.

Bei TikTok handelt es sich um ein Videoportal für die Lippensynchronisation von Musikvideos und anderen kurzen Videoclips, das zusätzlich Funktionen eines sozialen Netzwerks anbietet und vom chinesischen Unternehmen ByteDance betrieben wird. Für Unternehmen besteht die Möglichkeit bei TikTok ein sog. Nutzerprofil “TikTok for Business” anzulegen. Sofern sich das Unternehmen dann einen sog. Business-Account eingerichtet hat, kann es kurze Videoclips erstellen, um beispielsweise neues Personal zu gewinnen oder für Produkte und Dienstleistungen zu werben. Dabei werden oft die eigenen Beschäftigten in den Fokus gestellt bzw. als Schauspielende herangezogen.

Unternehmen können durch die Veröffentlichung von Videos eine sehr schnelle virale Reichweite erzielen, die deutlich erfolgsversprechender ist als auf anderen Plattformen. Jedoch bringt die Nutzung von TikTok vor allem aus rechtlicher Sicht einige Gefahren mit sich, insbesondere hinsichtlich des Datenschutzes.

Funktionsweise von TikTok

Wie bereits eingangs erwähnt, wird TikTok vorwiegend dazu genutzt, kurze Videosequenzen hochzuladen, diese Videos mit anderen Nutzern zu teilen und somit den Bekanntheitsgrad des eigenen Unternehmens zu erhöhen. Hierzu kann sich der Nutzer auch der von TikTok zur Verfügung gestellten Musik und Filtern bedienen, um die Videos zu bearbeiten und anzupassen. Vor dem Hochladen des fertiggestellten Videoclips können zudem Produkte oder auch Personen verlinkt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Option „Stitch“ auszuwählen, wonach Teile des eigenen Videos von anderen Nutzern auf TikTok mit deren Videos kombiniert werden können.

Nach Erstellung eines Videos erhält der Nutzer die Möglichkeit, das Video mit anderen Nutzern entweder privat (nur mit Nutzern, denen selbst gefolgt wird) oder öffentlich (für alle Nutzer sichtbar) zu teilen.

Sind Videos erst einmal veröffentlicht, können sie von anderen Nutzern geliked, kommentiert, gespeichert oder auch auf anderen sozialen Kanälen geteilt werden. Auch ist es anderen Nutzern möglich, ein von einem Unternehmen für die Öffentlichkeit hochgeladenes Video für den eigenen Kanal zu bearbeiten und anschließend selbst zu veröffentlichen. Teilen Nutzer das Video beispielsweise auf Twitter, erscheint das Video zunächst mit der Abbildung der ersten Videosequenz unter dem Bereich “Tweets” des Twitteraccounts. Zudem kann der Link des Videos auch per WhatsApp, den Facebook Messenger und weiteren Apps von anderen Nutzern an beliebige Dritte gesendet werden.

Die Datenerhebung durch TikTok

Aus datenschutzrechtlicher Sicht äußerst bedenklich ist vor allem das „direkte“ oder „indirekte“ Sammeln und Verarbeiten zahlreicher Nutzerdaten durch TikTok. Hierunter fallen beispielhaft folgende vom Nutzer bereitgestellte Daten:  

  • Name
  • Telefonnummer
  • E-Mail-Adresse
  • Name des Unternehmens und dessen Sitz
  • IP-Adresse

TikTok weist in seiner „privacy policy“ darauf hin, dass in einigen Fällen auch geschäftliche Informationen, wie z.B. berufliche Kontaktdaten gespeichert werden. TikTok führt in seiner „privacy policy“ jedoch nur eine beispielhafte Aufzählung an Nutzerdaten an, die gespeichert und ggf. verarbeitet werden. Damit herrscht eine große Unsicherheit, welche Daten konkret von dem jeweiligen Nutzer durch TikTok gespeichert und ggf. weiterverarbeitet werden.

Weitergabe der personenbezogenen Daten

Kritisch zu sehen ist die Weitergabe der erhobenen, personenbezogenen Daten durch TikTok an andere Unternehmen. So gibt die Plattform z.B. sämtliche erhobenen Daten an Drittanbieter weiter, die TikTok dabei helfen, die Werbung auf der Plattform zu messen und den Werbetreibenden dabei zu unterstützen, die Wirksamkeit ihrer Werbung zu ermitteln. Weiterhin werden durch TikTok die erhobenen personenbezogenen Daten an Geschäftspartner, andere Unternehmen der gleichen Gruppe, Analyseanbieter und viele mehr weitergegeben. TikTok weist in seiner „privacy policy“ ausdrücklich darauf hin, dass die Daten an Unternehmen in den Ländern, wie die USA, Hongkong und Singapur weitergeben und dort entsprechend gespeichert werden. Es ist hierbei oft völlig unklar, zu welchen Zwecken die anderen Unternehmen die personenbezogenen Daten übermittelt bekommen und anschließend verarbeiten.

Rechtliche Herausforderungen

1. Veröffentlichung von Werbevideos unter Einbeziehung von Beschäftigten als Darsteller

Unternehmen verwenden TikTok vor allem zu Werbezwecken. Dabei werden oft Videoaufnahmen von und mit Beschäftigten erstellt. Nachfolgend zeigen ausgewählte Beispiele, welche Herausforderungen sich hieraus ergeben können.

1.1 Die Einwilligung beteiligter Personen
Sofern Bild-, Video-, und Tonaufnahmen von Beschäftigten durch das Unternehmen angefertigt werden, muss hierfür eine Einwilligung von der betroffenen Person eingeholt werden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich ist hierbei, ob eine solche Einwilligung von den Beschäftigten überhaupt eingeholt werden sollte, da durch die Nutzung und das Hochladen eines Videos auf TikTok ggf. bereits datenschutzrechtliche Grundprinzipien nicht eingehalten werden können.

1.2 Widerruf der Einwilligung und das Recht auf Löschung
Selbst wenn das Unternehmen eine Einwilligung von den Beschäftigten eingeholt hat, stellt sich bei der Verwendung ein weiteres Problem hinsichtlich der Durchsetzung des Rechts auf Löschung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person gem. Art. 17 Abs. 1 lit. b DS-GVO. Diese Norm schreibt u.a. eine unverzügliche Löschung personenbezogener Daten vor, wenn die Verarbeitung auf eine Einwilligung gestützt und diese anschließend widerrufen wurde und es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt. Widerruft die beschäftigte Person nach Veröffentlichung des Videos seine Einwilligung, so hätte der Arbeitgeber das Video auf TikTok unverzüglich zu löschen. Zwar ist die Löschung des Videos auf TikTok durch den Nutzer, der das Video hochgeladen hat, auf dem Unternehmensprofil jederzeit möglich, allerdings ergibt sich hierbei das Problem, dass das von dem Unternehmen hochgeladene und inzwischen wieder gelöschte Video bereits durch andere Nutzer entweder auf TikTok oder auf anderen sozialen Netzwerken geteilt, gespeichert oder anderweitig verbreitet worden sein kann.

Gemäß der Datenschutzerklärung von TikTok kann der Nutzer TikTok zumindest darum bitten, die Daten ganz oder teilweise auf der Plattform zu löschen. Ob TikTok diesem Versprechen tatsächlich nachkommen wird bzw. überhaupt kann, ist aber mehr als fraglich. Infolge dessen wird es das Unternehmen als Arbeitgeber schwer haben, den gesetzlichen Löschungsanspruch der Beschäftigten nach erklärtem Widerruf der Einwilligungserklärung in der Praxis (rechtssicher) zu erfüllen.

2. Übermittlung der Daten an Drittländer

Wie eingangs näher beschrieben, werden alle erhobenen Daten der Nutzer der gesamten Unternehmensgruppe weitergegeben.

Darüber hinaus werden (personenbezogene) Daten in weitere, sog. “unsichere Drittländer” mit Sitz in Singapur oder den USA übermittelt, welche das in der EU geltende Datenschutzniveau nicht garantieren können.

TikTok nutzt zudem den Dienst Appsflyer, um Nutzerdaten zu sammeln und die Werbung entsprechend anzupassen. Dabei ist derzeit unbekannt, wohin die Daten von Appsflyer verteilt werden. Der Dienst nennt über 4.500 mögliche Partnerfirmen, die auf die Daten zugreifen können.

3. Beteiligung von externen Dritten an Videos

Weitere Herausforderungen ergeben sich, wenn das jeweilige Unternehmen nicht die eigenen Beschäftigten in die Videoaufnahmen einbezieht, sondern externe Dritte (z.B. Influencer oder Models) zur Mitwirkung an den Videos beauftragt. Hierbei sind nicht nur die Vorgaben der DSGVO zu beachten, sondern auch vertragliche Beziehungen und weitere Gesetze. Für diesen Fall ist eine umfassende Rechtsberatung erforderlich, bei der Ihnen das Team von MKM LEGAL weiterhelfen kann.

Fazit

Die Nutzung von TikTok für geschäftliche Zwecke ist in datenschutzrechtlicher Hinsicht mit vielen Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden. Wenn Sie mehr über die unternehmerische Nutzung von TikTok erfahren möchten und auf Ihre Anforderungen hin konkrete Handlungsempfehlungen wünschen, kontaktieren Sie uns gern.